Sina Dreier

Falls du dich manchmal fragst, warum du mit deinen Erfolgen niemals zufrieden bist und nach dem Erreichen eines Ziels dir vielleicht eine kurze Erholung gönnst, aber direkt danach zum nächsten Ziel aufbrichst, dann trägst du vielleicht den Glaubenssatz „Wer rastet, der rostet“ in dir. Der Glaubenssatz hat, wie so viele Glaubenssätze, eine positive Grundintention. Meist wird er von Menschen gebraucht, die sich sportlich fit halten und davon überzeugt sind, dass körperliche Fitness zu einem positiven Lebensgefühl dazu gehört (eigentlich klingt das ja auch nach einer guten Sache). Körper und Geist sind stets im Einklang miteinander, weswegen es bei diesem Glaubenssatz meist auch dazu gehört, geistig ständig in Bewegung zu bleiben und ja nicht stillzustehen.
LEISTUNG IST GUT, RUHE IST SCHLECHT
Es gilt also auch in unserer Leistungsgesellschaft als erstrebenswert, ständig an etwas zu arbeiten und etwas zu tun zu haben. Wer sich also eine Ruhephase gönnt, wird schnell abgehängt und verliert an Agilität. Wer also stets durch sein Leben sprintet und sich keine Pausen gönnt, wird erfolgreich sein. Jene, die ständig am Machen und Tun sind, werden sozial anerkannt, sie werden dafür bewundert, dass sie immer nur in Bewegung sind und ernten das ersehnte Lob. – Dazu gehört auch unter Anderem die Denkweise, dass man ja keine Lücke im Lebenslauf haben soll, dass man nach dem Schulabschluss direkt eine Berufsausbildung oder ein Studium starten muss und, dass Ausruhen zwingend vermieden werden soll. Wenn der innere Antreiber nach einem erfolgreich abgeschlossenen Projekt sofort ankommt und sagt „Bloß nicht rosten, schnell schnell! Auf zum neuen Projekt!“ entsteht das, was wir heutzutage „Rastlosigkeit“ nennen und worüber sich viele Menschen ihre Anerkennung holen. Warum ist es schlecht, sich auszuruhen, mal ohne Job oder Tätigkeit zu sein und mal in seine Ruhe zu kommen? Weil Leistung als etwas Positives bewertet wird, das uns Lob und Anerkennung bringt.
Anerkennung ist der innere Antreiber von 99% aller Menschen – und das ist noch nicht mal verwerflich, denn sei mal ehrlich zu dir: Würdest du einen Marathon laufen und es niemandem erzählen? Wer nicht mal kurz innehalten kann und sich seine Erfolge vor Augen führen kann bzw. reflektieren und ggf. sogar ein Gefühl dazu entwickeln kann, der rast nur so von Projekt zu Projekt. der Innere Antreiber, der immer wieder sagt „Beeil dich“ ruft dazu auf, bloß nicht zu langsam zu sein, was auch dazu führt, nie mit sich selbst in Berührung zu kommen. Oft verleiten solche Menschen zu Termindruck bei bei anderen, verbreiten Stress, wo eigentlich gar keiner nötig wäre und erledigen viele Dinge gleichzeitig, weswegen sie auch nie im Hier und Jetzt ankommen können. Als Vorgesetzte können solche Menschen ihre Mitarbeiter auch gern mal ins Burnout treiben, da sie ihre eigenen Ansprüche auf andere übertragen – wenn denn auch noch die Fähigkeit zur Reflexion fehlt, entsteht meist nur ein großes Unverständnis. Den Moment einfach mal genießen? Die Gedanken schweifen lassen? Fehlanzeigen. Wer unter so einer Person arbeitet und sich dadurch angespornt fühlt, buhlt meist nach einer sehr kurzweiligen oder nie zu erreichenden Anerkennung.
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